Denkmal für den unbekannten Deserteur

Auch in Hannover bemühten sich Antimilitarist*innen um die Auseinandersetzung mit Desertion. Drei Mitglieder einer „Initiative für totale Kriegsdienstverweigerung/ Kriegsdienstverweigerung“ errichteten am Rande eines ASTA-Universitäts-Sommerfestes ein Denkmal für den unbekannten Deserteur. Unabhängig von politischen Organisationen, doch unterstützt von Friedensgruppen, dem ASTA und später den Grünen fertigten die Künstler um Arne Witt das Denkmal. Es zeigt, auf dem Boden abgelegt, einen Stahlhelm und Militärstiefel. Stiefelabdrücke führen zu dieser Stelle hin und Fußspuren – barfuß – von ihr weg. Der Weg der Desertion – die Entscheidung, dem Militär zu entsagen – wird so plastisch aufgezeigt. Ziel war es, eine Debatte um die individuelle Verweigerung des Kriegsdienstes anzuregen.

Das Deserteursdenkmal wurde am 3. September 1990 am Kröpcke in Hannover enthüllt und dann von dort zum Trammplatz gegenüber dem Rathaus gebracht.  Die Aktion erfolgte im Rahmen eines Infostandes der Grünen Alternativen Bürgerliste (GABL) zum Antikriegstag 1990, die in diesem Rahmen für den totalen Kriegsdienstverweigerer Arne Witt die Patenschaft übernahm und so ihre Unterstützung aussprach. Offiziell sollte es dort als Geschenk an die Stadt Hannover übergeben werden, die jedoch keinen Vertreter schickte.

Anfang Oktober des gleichen Jahres forderte die Grüne Alternative Bürgerliste im Kulturausschuss des Rates der Stadt Hannover, dass die Stadt eine Gedenktafel für Deserteure installieren und dafür Vorschläge hannoverscher Künstler einholen solle.  Bis dahin müsse das niedergelegte Denkmal auf dem Trammplatz verbleiben. Dies lehnte der Kulturausschuss am 5.12.1990 ab.  Das Denkmal blieb jedoch trotzdem am Rande des Platzes liegen. Eineinhalb Jahre später, am 20. März 1992, kam erneut Bewegung in die Debatte. Der Kulturausschuss beschloss mit knapper Mehrheit, dass das Denkmal am nördlichen Rand des Trammplatzes bleiben könne, bis in würdiger Form an einem angemessenen Platz ein „Denkmal für den unbekannten Deserteur“ offiziell eingeweiht wird.  Damit hatte das Denkmal erstmals Bestandsschutz. In den folgenden Jahren war das Denkmal, das, kaum sichtbar am Rand des Trammplatzes, nicht selten für Bauarbeiten und Feste kurzerhand verschoben wurde, wiederholt Streitpunkt. Der Bezirksbeirat Mitte forderte die Stadt auf, dem Denkmal einen würdigen Platz zu geben, und konnte sogar Spender dafür vorweisen. Das Kulturdezernat wies dies mit dem Hinweis auf ungeklärte Besitzverhältnisse zurück, obwohl die Ersteller des Denkmals sich schriftlich zu einer Schenkung bereit erklärt hatten.  Am 30.3.1995 nahm die Stadt die Schenkung durch einen Beschluss des Stadtrates mit der Mehrheit von SPD und Grünen an.  Im Rahmen der Schenkung verpflichtete sich die Stadt, dem Gedenkstein auf dem Trammplatz einen festen Platz zu geben und das Denkmal entsprechend zu befestigen.

Seit seiner Erstellung war das Denkmal Bestandteil der antimilitaristischen und friedensbewegten Erinnerungskultur. Aufgrund seiner Größe und isolierten Lage erregte es jedoch kaum Aufmerksamkeit, obwohl es direkt gegenüber dem Haupteingang des Rathauses zu finden war.

Im Mai 2000 beschädigten Unbekannte das Denkmal, woraufhin die Stadt es wiederherrichtete.

In einer im April 2008 veröffentlichten Studie bescheinigte die von der Stadt Hannover eingesetzte „Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Hannover“ dem Denkmal mangelnden künstlerischen Charakter und einen schlechten Zustand. Der Bericht empfiehlt die Entfernung und Ersetzung des Denkmals durch „eine professionelle künstlerische Arbeit“, hervorgehend aus einem offenen Wettbewerb, wobei auch der Standort neu diskutiert werden solle.  Um eine angemessene Würdigung und eine dauerhafte Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zu gewährleisten gründete sich 2010 die Initiative für ein Deserteursdenkmal. Sie versuchte auf den jämmerlichen Zustand des Denkmals aufmerksam zu machen. Eine inzwischen vorgenommene, zwar gut gemeinte aber inhaltlich und handwerklich miserabel ausgeführte, Sprühaktion hatte dem Denkmal zusätzlich geschadet.Ein neues Denkmal musste her.


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